Heldin - der Kinoverein lädt ein !
Kino

Datum: Sa, 22. Mär 2025 18:00
Alle Termine:
- Do, 20. Mär 2025 18:00
- Sa, 22. Mär 2025 18:00
- So, 23. Mär 2025 18:00
- So, 23. Mär 2025 18:00
- Mo, 24. Mär 2025 18:00
- Di, 25. Mär 2025 18:00
- Mi, 26. Mär 2025 18:00
Ein ganz gewöhnlicher Tag auf der Bettenstation einer chirurgischen Abteilung: Schwerverletzte müssen versorgt und Operierte umsorgt werden, während privilegierte, aber egoistische Privatversicherte nach Extrawürsten krähen und das Pflegeteam natürlich mal wieder aufgrund von chronischem Personalmangel völlig unterbesetzt ist. Trotz der Hektik kümmert sich Floria (Leonie Benesch) fachkundig und mit voller Hingabe um ihre Patient*innen. Obwohl sie alles gibt, geht sie langsam auf dem Zahnfleisch und die Spätschicht scheint mehr und mehr außer Kontrolle zu geraten – bis ihr schließlich ein folgenschwerer Fehler unterläuft.
Als vor fünf Jahren während der erste COVID-19-Lockdown ausgerufen wurde, konnte man ein weltweites Phänomen beobachten: Menschen, die plötzlich nicht mehr vor die Tür durften, stellten sich abends zu einer verabredeten Zeit auf ihren Balkon oder vors Fenster, um gemeinsam zu applaudieren. Der Beifall galt vor allem den vielen Pflegekräften in Krankenhäusern, die halfen, die Pandemie einzudämmen und Leben zu retten. Schon damals war klar, dass diese durchaus gutgemeinte Solidaritätsbekundung nicht reichen würde, um das schon davor marode Gesundheitssystem vieler Länder zu reformieren. Tatsächlich waren Versprechungen von Personalaufbau und besserer Bezahlung schnell wieder vergessen. Auch in deutschen Gesundheitswesen hat sich seitdem nur wenig bewegt. Durch die zunehmende Veralterung der Bevölkerung in den nächsten Jahren wird sich die Situation eher noch verschlimmern, weil auch immer weniger junge Menschen Lust auf solche Jobs haben.
Ein Film wie „Heldin“ ist also längst überfällig, auch wenn er nicht unbedingt dafür sorgen wird, dass die Zahl der Bewerbungen höher wird. Dafür legt er den Finger in die Wunde und liefert ein ehrliches Abbild davon, was Pflegekräfte auch in ‚normalen’ Zeiten wie selbstverständlich leisten (müssen). In der deutsch-schweizerischen Koproduktion spielt Leonie Benesch („Der Schwarm“) eine ausgebildete Pflegefachkraft. Für eine Schicht wird ihr Arbeitsalltag mit der Kamera begleitet. Das klingt erst mal wenig spektakulär. Aber unter der Regie von Petra Volpe („Die göttliche Ordnung“) wird daraus ein drastischer Slalomlauf durch die Gänge eines hektischen Hochbetriebs, wo Spannungen entstehen, Emotionen hochpeitschen und der Tod allgegenwärtig ist. Erstaunlicherweise hat „Heldin“ damit alle Zutaten, die auch einen hochtourigen Thriller ausmachen. Das funktioniert auch durch eine heldenhafte Hauptdarstellerin, mit der man sich – ob man will oder nicht – mehr und mehr identifiziert.

Für Floria Lind (Leonie Benesch) bricht ein neuer Tag auf der Arbeit an. Sie ist eine ausgebildete Pflegefachfrau in der Chirurgie eines Zürcher Spitals. Kaum hat sie sich umgezogen, wird sie schon mit der ersten Hiobsbotschaft konfrontiert: Eine Kollegin ist erkrankt, die Spätschicht muss auf der Station zu dritt bewältigt werden. Stress ist vorprogrammiert, und der kommt unmittelbar und gewaltig: Ein Patient muss dringend für die OP vorbereitet werden. Der alte Herr Leu (Urs Bihler) von nebenan wartet auf seine Diagnose, weil er sich mehr um seinen zurückgelassenen Hund als um sich selbst sorgt. Eine andere Patientin ermahnt Floria immer wieder, dass sie eilig ein Medikament braucht.
Und dann ist da noch Privatpatient Herr Severin (Jürg Plüss), der sich aus seinem hübsch eingerichteten Einzelzimmer permanent bei Floria beschwert, dass er in diesem ‚Saftladen‘ so lange warten muss, bis ihm seine Wünsche erfüllt werden. Nun soll es ein heißer Tee sein. Doch wieder muss er warten. Ein Notfall bringt erneut alles durcheinander. Die Patientin stirbt, die Angehörigen sind voller Trauer. Auch Floria ist betroffen, serviert Herrn Severin erst nach einer Stunde seinen Tee. Er beschimpft die Schwester aufs Übelste, bis sie für einen kurzen Moment dann doch die Beherrschung verliert…
Kein Pflichtfilm, sondern wahnsinnig spannendes Kino
Mit einem erstaunlichen Gespür für Dramaturgie dreht Petra Volpe in der Gesamtlaufzeit von 92 Minuten immer weiter an der Spannungsschraube. Von allen Seiten prallt es plötzlich auf die Protagonistin ein. Sie muss Unmenschliches erbringen, verliert dabei aber nie ihre Menschlichkeit. Sie erduldet, bleibt freundlich und erkennt Krisenmomente. Etwa, wenn eine verängstigte alte Dame gerade ihre ganze Aufmerksamkeit braucht. Wie sie in dieser Situation zur Beruhigung ein Kinderlied mit ihr anstimmt, gehört zu den besonders berührenden Szenen des Films. Davon gibt es einige, wenn man von den Sorgen und Schicksalsschlägen der Erkrankten hört. Der Film offeriert Anteilnahme, verliert sich aber nicht im Mitleid. Dafür ist das Gesamtgeschehen in einem Krankenhaus viel zu dringlich. Aber wenn wieder einmal der Tod angeklopft hat und es einen kurzen Moment der Andacht braucht, tut das auch den Zuschauenden im Kino gut. Denn im Laufe der Handlung haben auch sie längst kapiert, dass der Wettlauf gegen die Zeit weitergeht und womöglich niemals enden wird.
Wie Floria Lind ist man mit einem Mal wieder mittendrin in der Geschäftigkeit, erwischt sich selbst dabei, wie man versucht, sich jedes Anliegen zu merken, um keinen zu vergessen. Am liebsten würde man der Protagonistin zurufen: Denke bitte noch daran, die Spritze aufzuziehen, die Chefärztin zu konfrontieren, nochmals bei der krebskranken Mama vorbeizusehen, die gerade ihre beiden kleinen Kinder zu Besuch hat. Man wird quasi eins mit der Figur und kann letztlich nur darüber staunen, wie gewissenhaft sie ist, wie jeder Handgriff sitzt, und wie sie das alles überhaupt so lange aushalten kann. Nur einmal fährt sie aus der Haut, als sie die Arroganz des nervigen Privatpatienten mit voller Wucht trifft. Aber dieser Moment wirkt selbst für uns wie ein Befreiungsschlag, und zwar mit der Bereitschaft, sich allen Konsequenzen zu stellen.

Genauso wie ihre Filmfigur scheint auch Leonie Benesch, die in den vergangenen beiden Jahren mit „Das Lehrerzimmer“ und „September 5“ jeweils im Oscar-Rennen mit dabei war, den Film ganz allein zu schultern. Klar wissen wir, dass es anders ist und dass es unglaublich viele Menschen braucht, um einen Film zu realisieren. Aber dass sich dieser Eindruck überhaupt einstellt, beweist, wie gut das Konzept von „Heldin“ aufgeht. Es findet eine Identifizierung statt mit einer jungen Frau, die eine Arbeit verrichtet, die ausreichend wäre, um mindestens zwei Personen zu beschäftigen.
Dabei ist der Film nicht einmal in erster Linie anklagend. Denn gleichzeitig ist spürbar, wie sehr sie für diesen Beruf brennt. Die Figur der Floria Lind steht stellvertretend für alle, die anderen Menschen helfen wollen – egal wie wenig Geld und Würdigung sie dafür bekommen. Dieser Film will wachrütteln, und obwohl er uns an einen Ort führt, der bei den meisten eher Unbehagen auslöst, erleben wir eine wahrlich echte „Heldin“, die unbedingt auf die große Leinwand gehört.
Fazit: Der Titel könnte nicht besser gewählt sein. „Heldin“ lässt uns hautnah spüren, was es heißt, eine Pflegefachkraft zu sein. Das ist aufwühlend, spannend und lässt Leonie Benesch in ihrer bisher stärksten Rolle brillieren. Darüber hinaus rückt das Drama einmal mehr die Missstände unseres Gesundheitswesens in den Mittelpunkt. Ein Film, der uns alle angeht.
Genre:
Drama
Regie:
Petra Biondina Volpe
Darsteller:
Leonie Benesch, Sonja Riesen, Selma Adin
Filmlänge (min):
92
Altersfreigabe:
FSK ab 6 freigegeben
Produktionsland:
Deutschland
Erscheinungsjahr:
2025
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